Deutschland ist in vielerlei Hinsicht immer noch das Land des ungenutzten weiblichen Arbeitskräftepotenzials. Das können wir uns immer weniger leisten. Denn schauen wir uns die Trendprognosen für das neue Jahrzehnt bis 2030 an, wird Deutschland in Summe immer älter, ärmer und schrumpft zudem:

·       Die Zahl der Erwerbstätigen wird um 3,8 Millionen sinken

·       Die Zahl der Rentner hingegen um drei Millionen steigen &

·       2030 wird jeder Vierte über 67 Jahre alt sein.

Dies wird uns 30 Mrd. Euro zusätzlich für Rente, Pflege und Krankenversicherung kosten – bislang ist völlig unklar, woher dieses Geld kommen soll.

Gleichzeitig befindet sich die Welt in einem neuen globalen Wettstreit um die Technologieführerschaft. USA und China sind hierbei die führenden Schrittmacher und Europa läuft in Gefahr, zur digitalen Kolonie zu werden. Wir brauchen dringend eine digitale Bildungsoffensive und müssen die besten Köpfe im Technologiebereich für uns gewinnen. Deutschland und Europa haben zu lange gezögert und klagen nun über einen ausgeprägten Fachkräftemangel in Bezug auf die neuen Schlüsseltechnologien; bis 2023 müssen gemäß der Future Skills Studie des Stifterverbands und McKinsey allein in Deutschland 700.000 zusätzliche Personen vertiefte technologische Fähigkeiten erwerben, um den Bedarf der Wirtschaft an Tech-Spezialisten decken zu können.

Diese Zahlen können uns sorgen, uns aber auch anspornen, endlich Lösungen hierfür zu finden. Ein wesentlicher Schlüssel ist die gezielte Förderung und Nutzung des weiblichen Talentpools, den wir deutlich stärker als bislang für die neuen Anforderungen der Digitalisierung interessieren, begeistern und qualifizieren sollten. Mit anderen Worten: Wir brauchen deutlich mehr Frauen, um die Digitalisierung voranzutreiben! Die Chancenpotenziale sowie Vorteile von mehr Frauen in Digitalberufen sind dabei vielseitig – und zwar für alle Seiten:

1.   Für Arbeitgeber bedeutet dies ein Zufluss an dringend benötigten zusätzlichen Talenten sowie mehr Diversity bei der Entwicklung, Bewertung und Anwendung neuer Technologien.

2.   Für weibliche Talente selbst bietet die Digitalisierung zum einen enorme Chancen, sich in bislang zu knapp besetzten Kompetenzfeldern wie Data Analytics, Blockchain, Künstliche Intelligenz oder Softwareentwicklung zu positionieren und dadurch mehr Verhandlungsmacht gegenüber Arbeitgebern zu erhalten. Zum anderen bieten die neuen Technologien vielfältige Möglichkeiten für mehr zeitliche und räumliche Autonomie bei der Arbeit. Beides zahlt auf eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie ein und bietet nie da gewesene Chancen, um einen anspruchsvollen Job mit ausreichend Zeit für Privatleben unter einen Hut zu bekommen. Aus eigener Erfahrung weiß ich: Noch nie waren die Chancen hierfür besser.

Was können Frauen und weibliche Nachwuchstalente nun gezielt tun, um sich für die neuen Anforderungen der Digitalisierung und damit für Digitalberufe zu qualifizieren (übrigens gelten die in diesem Artikel angeführten Argumente grundsätzlich für alle Geschlechter):

1.   Strategischer Blick auf Future Skills: Durch die massiven Veränderungen am Arbeitsmarkt, die die Digitalisierung mit sich bringt, ist der strategische Blick in die Zukunft, welche Kompetenzen in den nächsten fünf Jahren branchenübergreifend wichtiger werden, sehr hilfreich. Frauen sollten sich dabei mehr als bislang trauen, strategisch neuralgische Kompetenzfelder zu besetzen, die in Zukunft von hoher Bedeutung sind. Entsprechende Transparenz hierüber schaffen die folgenden Studien: https://www.th-nuernberg.de/fileadmin/abteilungen/kom/kom_docs/Sonderdrucke/67_Weiß.pdf sowie https://www.stifterverband.org/medien/future-skills-welche-kompetenzen-in-deutschland-fehlen

2.   Stärken- und interessensbasierte Nische suchen: Nicht jedes Kompetenzfeld der Zukunft passt zu einem persönlich. Aber das Wissen über die Future Skills ermöglicht es, einen bewussten Abgleich mit persönlichen Stärken und Interessen zu machen. Sich genau in der Schnittmenge aus Stärken & Interessen einerseits und ausgeprägter Nachfrage am Arbeitsmarkt andererseits zu positionieren, ist ein cleverer Schritt.

3.   Technologische mit sozialen Kompetenzen paaren: Im Zuge der Digitalisierung werden nicht nur technologische, sondern auch soziale Kompetenzen noch wichtiger als bislang, insbesondere diejenigen, die uns nachhaltig von Maschinen unterscheiden. Hierzu gehören u.a. Empathie, Kreativität, Kommunikationsstärke, ethisches oder interkulturelles Fingerspitzengefühl…mitunter Kompetenzen, in denen gerade Frauen besonders stark sind. Weibliche Talente, die ihre Stärken und Interessen nicht zwingend in tiefgehenden technologischen Themen sehen, können dennoch sehr wertvolle Talente für digitale Aufgabengebiete sein, wenn sie bereit sind, sich ein Grundverständnis von IT und Technologie anzueignen, fortlaufend aktuell zu halten und dieses mit fundierten Sozialkompetenzen zu kombinieren. Großes Chancenpotenzial liegt auch in der Rolle von „Tech-Translatoren“, die in zunehmendem Maße nachgefragt sind. Das sind Menschen, die zwischen Technologieexperten und -laien übersetzen können, indem sie die richtige Kommunikationsebene und Sprache wählen. Auch hier besteht für Frauen großes Potenzial.

4.   Lernen, Netzwerken & Personal Branding als Teil des Aufgabenprofils sehen: Die wichtigste Megakompetenz im digitalen Zeitalter ist die Fähigkeit, sich kontinuierlich weiter zu entwickeln und Neues zu erlernen. Voraussetzung hierfür ist ein hohes Maß an Selbstreflexion, worin Frauen oftmals ebenfalls stark sind. Lernen gelingt insbesondere auch durch ein diverses Netzwerk. Daher sollten für Lernen & Netzwerken bewusst Freiräume im Tagesablauf geschaffen werden. Und dann geht es darum, sich als Expertin für ein relevantes, am besten neuralgisches Kompetenzfeld wirkungsvoll zu positionieren – offline wie online. Personal Branding & damit die bewusste Positionierung, für welches Expertenthema man als Talent persönlich steht, gehört damit ebenfalls zum natürlichen Aufgabenspektrum dazu & verschafft die Möglichkeit, sich wirkungsvoll einzubringen.

Fazit: Für unsere Wirtschaft & Gesellschaft & Arbeitgeber, aber insbesondere auch für uns Frauen selbst lohnt es sich, sich mit seiner persönlichen Qualifikation und Motivation in die Gestaltung der Digitalisierung aktiv und wirkungsvoll einzubringen. Deutlich mehr Frauen als bislang sollten aktive Gestalter auf dem Spielfeld und nicht nur passive Beobachter am Spielfeldrand der Digitalisierung sein. Dafür, wie dies gelingen kann, soll dieser Artikel ein paar Anregungen geben. Das kann unsere weibliche Antwort auf den Fachkräftemangel im Bereich Digitalisierung sein! Diese Antwort sollten wir nicht schuldig bleiben, zumal es unglaublich großen Spaß macht, sein Potenzial stärkenbasiert zu entfalten!