Persönliche „Lessons Learned“ entlang meiner Karriere

Im Jahr 2005 habe ich nach meiner Promotion meine berufliche Reise namens Karriere begonnen. Ich bin entlang meiner Schul- und Studienzeit sehr gut in Fächern wie Mathematik, Physik und Geschichte ausgebildet worden, nicht aber, wie ich meine eigene Zukunft und die anderer gestalte. Als Startpunkt für meine Karriere wählte ich daher eine Unternehmensberatung, denn ich hatte wenig Plan, in welche konkrete Branche und Funktion es mich später einmal ziehen würde. 2005 war nicht nur das Jahr meines Berufseinstiegs, sondern auch das Jahr, in dem Angela Merkel als erste Frau in Deutschland Bundeskanzlerin und Regierungschefin wurde. Ich hatte dadurch das Gefühl, dass uns Frauen alle Wege in alle Ämter offenstehen – sofern wir es denn wollen. Heute – 15 Jahre nach meinem Berufseinstieg – bewerte ich die Situation differenzierter: Ich blicke auf wertvolle Erfahrungen in der Beratungsbranche und zwei DAX-30-Unternehmen zurück. Ich bin inzwischen BWL-Professorin, Aufsichts- und Beirätin in verschiedenen deutschen Unternehmen und Gründerin eines wachsenden Start-Ups. 2014 berief mich Bundeskanzlerin Angela Merkel in den Innovationssteuerkreis der Bundesregierung. Was ich am schönsten an meiner Karriere bewerte, ist, dass ich für diesen Weg nicht auf eigene Familie verzichten musste – entgegen der vielen Stimmen, die mir zu Beginn meiner Karriere etwas anderes vermitteln wollten. Ich habe sehr positive und auch schlechte Erfahrungen in 15 Jahren sammeln können. Ich habe große Vorteile erfahren aufgrund meines Geschlechts und bin zugleich stark benachteiligt worden. Beides ist nicht in Ordnung, wenn wir Gleichberechtigung anstreben. Meine Einschätzung ist: Noch nie waren die Zeiten besser, als Frau Karriere zu machen und dabei auf privates Glück nicht verzichten zu müssen. Und dennoch haben wir in vielerlei Hinsicht noch einen großen Weg zu gehen. Es existieren an vielen Stellen noch immer innere und äußere Hürden, die Frauen davon abhalten, ihre privaten und beruflichen Ziele unter einen Hut zu bekommen. Und auch Männer erfahren ebenfalls viel zu oft keine Gleichberechtigung – in Bereichen, in denen man eher Frauen vermuten würde oder aufgrund von falsch verstandener Frauenförderung, die es in einigen Organisationen gibt. Das ist für beide Geschlechter nicht gut. Daher möchte ich heute die wichtigsten 10 Lektionen teilen, die ich bislang für mich gelernt habe und die mir geholfen haben, dorthin zu gelangen, wo ich heute stehe. Mein Lern- und Entwicklungsprozess ist bei Weitem noch nicht abgeschlossen, aber ich freue mich, wenn diese Lektionen andere ambitionierte Menschen – Frauen wie Männer – dabei unterstützen, ihren Weg zu gehen:

1.   Jede Reise beginnt mit einem Ziel: Ich glaube nicht, dass wir zu Beginn unserer beruflichen Reise ein konkretes Ziel brauchen im Sinne einer konkreten Position, die wir einmal innehaben möchten. Dafür verändern wir uns selbst und das berufliche Umfeld viel zu stark. Mir aber es hat sehr geholfen, mich von Anfang an damit auseinander zu setzen, was ich für ein Leben führen möchte, was meine übergeordneten Lebensziele sind, welchen Lifestyle ich anstrebe und was meine persönliche Werte sind, die ich in Privat- und Berufsleben realisieren möchte. Das hat mir ausreichend Orientierung gegeben, um von Beginn an in die richtige Richtung zu laufen.

2.   Zuhören ist wichtig, taub stellen aber auch: Durch Zuhören lerne ich enorm viel; ich schließe Wissenslücken und hole mir Inspiration ein. Und dennoch habe ich auch gelernt, wie wichtig es ist, in bestimmten Situationen gezielt auf taub zu schalten und einfach mein Ding zu machen.

3.   Leidenschaft alleine reicht nicht: Ich halte den Spruch „Höre auf Deine Leidenschaft und der Rest wird sich dann ergeben“, für einen ziemlich miesen Ratschlag, um auf dieser Basis Ausbildung oder Beruf zu wählen. Vielversprechender ist es aus meiner Sicht, sich in der Schnittmenge aus Leidenschaft und Nachfrage am Arbeitsmarkt niederzulassen. Konkret heißt das: Erwerbe Qualifikationen, die zu Deinen Interessen und Stärken passen, UND nach denen es eine ausgeprägte Nachfrage am Arbeitsmarkt gibt.

4.   Standardprofil bekommt Standardangebot: So lange ich ein austauschbares Qualifikationsprofil hatte, habe ich Standardangebote erhalten, z.B. eine Führungsposition in Vollzeit mit viel Präsenzzeit. Erst als ich über die Jahre gezielt ein herausstechendes Qualifikationsprofil entwickelt hatte, das schwer zu imitieren und auszutauschen ist, hatte ich die Möglichkeit, meine Arbeit und beruflichen Rollen so individuell zu gestalten und auszuwählen, wie sie auch zu meinen privaten Zielen passen.

5.   Erwerbe “neuralgische” Qualifikationen: Gerade Frauen lassen sich oftmals in klassischen Rollen wie „Personal“ oder „Controlling“ nieder und richten ihre Ausbildung daran aus. Besonderes Augenmerk und damit auch Verhandlungsmacht erhält man aber immer, wenn man strategisch relevante und für den Erfolg des Unternehmens neuralgische Qualifikationen besitzt. Gerade im Bereich der neuen Schlüsseltechnologien wie Künstliche Intelligenz, Blockchain oder Data Analytics ergeben sich gerade herausragende Möglichkeiten, sich derartige neuralgische Qualifikationen anzueignen, wenn es zu einem persönlich passt.

6.   Networking als Teil des Aufgabenprofils: Es gibt den bekannten Satz: „Netzwerke schaden nur dem, der keine hat.“ Ich persönlich investiere mehrere Stunden pro Woche, mein persönliches Netzwerk zu pflegen und zu erweitern. Ich sehe dies als Teil meines natürlichen Aufgabenprofils und reserviere mir entsprechende zeitliche Freiräume. Obwohl es sich um berufliche Kontakte handelt, pflege ich nur Kontakte zu Menschen, mit denen auch die persönliche Chemie stimmt. Nur so entsteht gegenseitiges Vertrauen und Freude an der Interaktion.

7.   Lernen als tägliche Routine: Die Halbwertszeit von Wissen liegt inzwischen bei 3-5 Jahren, im Bereich Technologie ist die Halbwertszeit noch kürzer. Daher baue ich gezieltes Lernen so selbstverständlich in den Tagesablauf ein wie tägliches Zähneputzen. Ich höre Podcasts mit Technologiebezug, lese Fachartikel und -bücher, besuche Unternehmen verschiedener Branchen, reise viel und unterhalte mich gezielt mit Menschen, die mir neue Einblicke und neue Denkanstöße geben können.

8.   Tue Gutes und rede darüber: Ich bin davon überzeugt: es reicht nicht, nur innerhalb eines Unternehmens bei den direkten Kollegen als versierte Arbeitskraft bekannt zu sein. Selbstmarketing und Personal Branding sind ebenso wie tägliches Lernen Teil meines Aufgabenprofils und helfen mir, eine höhere Bekanntheit und Reichweite für meine persönliche Expertise zu entfalten.

9.   Wähle den richtigen Lebenspartner: Vermutlich die wichtigsten beiden Personen, die über Deine Karriere entscheiden, sind Deine direkte Führungskraft und Dein Lebenspartner. Wenn letzterer Dich in Deinen beruflichen Ambitionen und in Deiner beruflichen Entwicklung nicht voll und ganz unterstützt, wird Dir sehr wahrscheinlich die Lust und Energie fehlen, Dein berufliches Potenzial voll auszuschöpfen. Gerade wenn Kinder da sind, müssen beide Partner als eingespieltes Team agieren, das sich gegenseitig unterstützt.

Und last, but not least:

10. You are never too important to be nice to people: So selbstverständlich. Aber zu wichtig, um es nicht zu nennen 😉