„There are decades where nothing happens, and there are weeks where decades happen.“ (Vladimir Lenin) Die unvorhergesehene Pandemie hat unsere Gesellschaft, Wirtschaft und infolgedessen unseren Arbeitsmarkt innerhalb weniger Wochen in den Ausnahmezustand versetzt. Die deutsche Wirtschaft stürzt in die schwerste Rezession der Nachkriegsgeschichte. Trotz Kurzarbeitergeld und Milliardenhilfsprogramm wird die Coronakrise Hundertausende Jobs in Deutschland vernichten; das renommierte ifo Institut rechnet mit bis zu 1,8 Mio. zusätzlichen Arbeitslosen. Die Krise ist auf den ersten Blick eine weltweite Gesundheitskrise. Aber sie führt zu einer historischen Weltwirtschaftskrise, die unseren Arbeitsmarkt massiv unter Druck setzt und der Höhepunkt noch vor uns liegt. Denn der Arbeitsmarkt unterliegt derzeit einer „doppelten Schere“:
  • Die Digitalisierung verändert Geschäftsmodelle und -prozesse und damit Anforderungsprofile. Dadurch fallen eine Vielzahl an digitalisierbaren Tätigkeiten und damit an Jobs weg. Neue Jobs werden geschaffen. Der kompetente Umgang mit digitalen Technologien und zumindest ein Grundverständnis von IT werden zur zentralen Voraussetzung für die Sicherung der persönlichen Beschäftigungsfähigkeit – und auch für die gesellschaftliche Teilhabe.
  • Die Corona-Krise setzt branchenübergreifend Unternehmen so stark unter Druck, dass es eine Welle an Insolvenzen und betriebsbedingten Kündigungen geben wird. Und Unternehmen, die durch die Krise kommen werden, halten sich zunächst bei Neueinstellungen zurück und beenden befristete Arbeitsverhältnisse und Leiharbeit.
Auf den Arbeitsmarkt kommen also massive qualitative und quantitative Veränderungen zu. Wie können vor diesem Hintergrund junge Menschen und bereits etablierte Arbeitskräfte dennoch positiv in die Zukunft blicken und die „doppelte Schere“ am Arbeitsmarkt erfolgreich meistern? Grundsätzlich gilt ja: „(Zukunfts-)Angst bekommen wir geschenkt; Zuversicht müssen wir uns verdienen.“ Ich persönlich vermisse in der aktuellen Diskussion die stärkere Betonung der Chancenund des höheren Anspruchs an uns selbst, unsere zukünftige Beschäftigungsfähigkeit durch selbstverantwortliches, vorausschauendes Handeln zu sichern. Es ist nicht „Schicksal“, ob wir zukünftig am Arbeitsmarkt gebraucht werden oder nicht. Wir haben vieles selber in der Hand, indem wir uns mit den richtigen Qualifikationen und dem passenden Mindset für die Zukunft fit machen. Zu unserem eigenen Wohl und zum Wohl unserer Wirtschaft. Mit diesem Beitrag möchte ich genau hierzu Denkanstöße geben – ohne Anspruch auf Vollständigkeit, jedoch mit dem Anspruch, Lust auf die Chancen zu machen, die trotz Krise vor uns liegen und Anlass für Optimismus geben:
  1. Let’s wake up! In Wirtschaftskrisen zeigt sich oft besonders deutlich, was bereits vorher nicht in Ordnung war. Gerade als jemand, der viel zwischen China und Deutschland pendelt, begleitet mich seit Jahren das Gefühl, dass wir als deutsche Gesellschaft saturiert und Status-Quo verliebt sind. Während China und die USA sich als technologische Supermächte aufmachen, die technologischen Standards der Zukunft zu setzen, wiegen wir uns in einem trügerischen Gefühl wirtschaftlicher Stärke der Vergangenheit. Jeder einzelne von uns sollte aufwachen und motiviert sein, sich gemäß seiner persönlichen Stärken in die Gestaltung der digitalen Zukunft einzubringen. Es ist doch viel schöner, auf dem Spielfeld zu stehen, als unbeteiligt vom Spielfeldrand zuzuschauen!
  2. Mehr Eigeninitiative! Weder Bildungssystem noch Arbeitgeber können als „Supernannies“ agieren und sich um alles kümmern, um unsere zukünftige Beschäftigungsfähigkeit zu sichern. Das erforderliche lebenslange Lernen gelingt nur, wenn wir selber bereit sind, Zeit und Energie zu investieren, um am Ball zu bleiben.
  3. Strategischer Blick nach vorne! Keiner von uns lernt Sprachen wie Mandarin oder digitale Skills wie Programmieren und agiles Arbeiten über Nacht. Das frühzeitige Erkennen von persönlichem Qualifizierungsbedarf ist erforderlich. Lernen gelingt immer besser proaktiv, statt reaktiv mit erheblichem Zeitdruck.
  4. Passion muss auf Nachfrage treffen! Viele junge Menschen folgen immer noch riskanten Ratschlägen für ihre Ausbildungs- und Studienwahl: Folge Deiner Leidenschaft, der Rest ergibt sich schon. Oder: Mache das, was deine Eltern gemacht haben. Diesen Ansatz sollten wir uns nicht weiter leisten, denn wir qualifizieren derzeit tausende junge Menschen am Arbeitsmarkt vorbei, während wir über Fachkräftemangel in anderen Bereichen klagen. Die konkreten Kompetenz- und Einstellbedarfe der Arbeitgeber müssen viel stärker in den Fokus rücken und Ausbildung/Studium in einem Bereich gewählt werden, in dem persönliches Interesse auf konkrete Nachfrage trifft. Die Future Skills Studie gibt transparent Einblicke, welche Kompetenzen in Deutschland in Zukunft benötigt werden. Das ist kein Geheimnis!
  5. Persönliche USP schärfen! Standardqualifikationsprofile bekommen Standardangebote und reihen sich in eine lange Schlange an Bewerbungen ein. Wer besondere Erwartungen an seinen Arbeitgeber und persönliche Karriereaussichten stellt, braucht eine herausstechende persönliche USP (Unique Selling Proposition). Hier bieten gerade die neu entstehenden Digitaljobs herausragende Chancen. Die Nachfrage nach IT- und Digitaltalenten wird unverändert hoch sein. Denn die aktuelle Krise wirkt wie ein Brandbeschleuniger für die weitere Digitalisierung in allen Branchen.
  6. Langfristig denken und durchhalten! Bis zum Ende der 2020-Jahre werden durch das Ausscheiden der geburtenstarken Babyboomer-Generation aus dem Arbeitsleben bis zu 3 Mio. Stellen in Deutschland frei werden. Wer lernwillig, veränderungsbereit und offen ist (Mindset) und sich in den kommenden Jahren die Kompetenzen aneignet, nach denen eine Nachfrage besteht, kann langfristig gesehen zurecht optimistisch in die persönliche berufliche Zukunft blicken.
Ich würde mich freuen, wenn viele von uns sich diese Denkanstöße zu Herzen nehmen und trotz Krise optimistisch bleiben. In jeder Krise lauert auch die große Chance, Veränderungen anzustoßen, die überfällig sind! Last, but not least: Die Zukunft wird so gut, wie wir sie machen. Der beste Zeitpunkt, damit zu beginnen, ist jetzt. Packen wir es also an.