What makes us unique?

„Was bleibt vom Menschen, wenn die Maschinen übernehmen?“

oder

„Wenn die maschinelle, allgemeine Superintelligenz kommt, wie viel ist die humane Intelligenz dann noch wert?“

Das sind derzeit die wohl spannendsten Fragen, die mir auf Konferenzen, in Unternehmen und in Interviews gestellt werden. Meine Antwort auf diese Fragen lautet wie folgt:

Das, was uns als Menschen im Vergleich zu Maschinen wirklich einzigartig macht, muss stets neu bewertet werden; hier gibt es keine starren Gesetzmäßigkeiten, die über Jahre hinweg Bestand haben. Forschung ist grundsätzlich Erkenntnis auf Zeit, das lernen junge Wissenschaftler schon sehr früh. Aber selten war die Halbwertszeit von Forschungsergebnissen in technologienahen Anwendungsbereichen so gering wie jetzt. Wenn meine Kollegen und ich derzeit erforschen, welche Fähigkeiten eine Künstliche Intelligenz besitzt und welche Aufgaben sie damit zukünftig erledigen kann, die derzeit Menschen ausführen, und wie die zukünftige Mensch-Maschine-Interaktion aussehen wird, dann wird deutlich, dass wir Forschungsergebnisse, die erst wenige Monate alt sind, bereits wieder in Teilen einkassieren und neue Aussagen treffen müssen.

Umso wichtiger ist es, das Augenmerk auf die verlässlichen Erkenntnisse zu legen, die trotz der hohen Dynamik als zeitstabil gelten und damit Orientierung geben können. Was also konkret gilt als gesichert?

  1. Technologien wie die generative künstliche Intelligenz werden unsere Arbeitswelt, wie wir sie heute kennen, fundamental verändern. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil wagte vor Kurzem die These, „dass es ab 2035 keinen Job mehr geben wird, der nichts mit KI zu tun hat.“
  2. Das, was uns Menschen vermutlich dauerhaft von Maschinen unterscheiden wird, ist unsere Fähigkeit, Gefühle wie Liebe und Wertschätzung nicht nur zu zeigen, sondern von innen heraus empfinden zu können. Eine künstliche Intelligenz wird zwar derzeit immer besser darin, Emotionen im Gesicht von Menschen zu erkennen, sie ist aber nicht in der Lage, das zu Grunde liegende Gefühl dahinter nachzuempfinden, denn dafür braucht es ein Bewusstsein.
  3. Je technologisierter die Welt wird, desto menschlicher müssen wir selbst werden. Zum einen ist dies der erforderliche Gegentrend zum Trend einer omnipräsent digital-vernetzten Welt, den wir brauchen, um als soziale Wesen mit natürlichen Bedürfnissen in Balance zu bleiben. Zum anderen ist genau unsere Menschlichkeit das, was uns im Zeitalter von wachsender Maschinenintelligenz als „humane USP“ (Unique Selling Proposition“) von Technologie unterscheidet. Unsere Menschlichkeit ist unsere Stärke im Paartanz von uns Menschen mit den Maschinen, der unsere Arbeitswelt der Zukunft prägen wird.

Sozialkompetenzen: So wichtig wie nie, doch neu interpretiert

Dies führt mich zu dem Schwerpunktthema dieses Newsletters: Auf welche Sozialkompetenzen kommt es in der Arbeitswelt der Zukunft mehr denn je an? Wie müssen bestehende Sozialkompetenzen weiterentwickelt werden, um in die Arbeitswelt der Zukunft zu passen? Hier ein paar Erkenntnisse (ohne Anspruch auf Vollständigkeit):

  1. Teamfähigkeit: Die stets komplexer werdende Welt erfordert leistungsfähige, schlagkräftige, diverse Teams mit unterschiedlichen, komplementären Fähigkeiten. Doch Teamfähigkeit in der Arbeitswelt der Zukunft bedeutet nicht nur, erfolgreich mit anderen Menschen zusammen zu arbeiten, sondern auch erfolgreich mit neuen Technologien.
  2. Cobots, also Roboter als Kollegen, sowie eine generative KI, die wir in den Rollen Consultant, Creator und Co-Pilot als Teamkollegen nutzen werden, werden zum selbstverständlichen Bestandteil unseres Arbeitsalltags. Diese Form der Teamfähigkeit von Morgen kann und muss im Heute schon trainiert werden. Wer diese Form von Teamfähigkeit in Zukunft nicht beherrscht, hat solche Produktivitätsnachteile, dass persönliche Wettbewerbsfähigkeit und Employability langfristig gefährdet sind.
  3. Digitale Empathie: Empathie bleibt einer der wichtigsten Fähigkeiten in der Arbeitswelt der Zukunft, muss aber erweitert interpretiert werden: Wir werden weiterhin hybrid arbeiten und unsere Kollaboration und Kommunikation mit Teamkollegen, Partnern und Kunden in den virtuellen Raum verlagern. Vor diesem Hintergrund muss trainiert werden, was unsere digitale Empathie steigert. Damit ist die Fähigkeit gemeint, auch im virtuellen Raum die Bedürfnisse und Empfindungen des Gegenübers zu erspüren, ohne physisch Körpersprache, Mimik und atmosphärische Schwingungen erfassen zu können.
  4. Kommunikationsstärke: Kommunikation gilt gemeinhin als ist die Fähigkeit, Ideen, Gedanken und Emotionen mit anderen zu teilen. Nun hält automatisierte Kommunikation Einzug in unsere Arbeitswelt: KI-Bots antworten auf E-Mails, die wiederum von KI-Bots geschrieben wurden. KI-Programme übersetzen Gesprochenes und Geschriebenes in Fremdsprache und können Gespräche automatisch transkribieren und die wesentlichsten Aussagen zusammenfassen. KI-Systeme erfassen Gesichtsausdrücke und passen die automatisierten Antworten an die erfasste Emotionslage des Gegenübers an. Wahre Kommunikationsstärke des Menschen manifestiert sich damit immer mehr darin, das Unausgesprochene in der Kommunikation zu erfassen, was oftmals das Relevanteste in einem Gespräch ist. Ferner zeigt sich Kommunikationsstärke darin, durch wirkungsvolle, empathische Kommunikation tiefe zwischenmenschliche und vor allem vertrauensvolle Beziehungen aufzubauen, die eine besonders wertschätzende Kommunikation ermöglichen.
  5. Intuition: Ferner bleibt auch unsere menschliche Intuition von Bedeutung und damit unsere innere Stimme. Bei wichtigen Entscheidungen von hoher Tragweite wird es in Zukunft jedoch immer mehr von Bedeutung sein, eine „augmented intuition“ zu trainieren. Damit ist gemeint, eine KI-basierte Entscheidungsvorlage mit heranzuziehen und mit der wertvollen menschlichen Intuition zu paaren.

Sozialkompetenzen sind trainierbar

Das Dilemma mit den Sozialkompetezen besteht darin, dass die meisten Menschen entweder glauben, sie hätten in diesem Bereich keinen Weiterentwicklungsbedarf oder Sozialkompetenzen würden stark an der Persönlichkeit hängen und daher kaum trainierbar sein.

Fakt ist: Sozialkompetenzen lassen sich ebenso trainieren, wie fachliche und methodische Fähigkeiten. Je öfters wir sie trainieren und uns Feedback einholen, desto besser werden wir darin. Grundsätzlich gilt auch bei Sozialkompetenzen wie bei allen Lernprozessen die folgende Reihenfolge: Learn („Erkenne, was Du Neues lernen musst“), Unlearn („Verlerne überholte Denk- und Verhaltensmuster“), Relearn („Verfestige die neuen Denk- und Verhaltensmuster durch konsequentes Anwenden“). Das „Unlearning„, also das gezielte Verlernen, verlangt uns dabei die meiste Energie ab, ist aber essentiell für nachhaltig gelingende Lernprozesse.

Ich persönlich halte es für eine beruhigende Botschaft, dass Sozialkompetenzen ihren Wert in der Arbeitswelt der Zukunft nicht verlieren werden. Im Gegenteil: Sie werden wertvoll wie nie, wenn wir bereit sind, sie bewusst zu stärken und neu zu interpretieren.